Case study
Ist mein/e SchülerIn ein/e AnhängerIn von der fundamentalen I.S.?
3 Jahre in einer "Madrassa" (religiösen Privatschule) in seinem Heimatland, 2 Jahre von einer Abendschule für Basisbildung in seinem Nachbarland Iran, mehrere Sprachen und Alphabetisierungskurse seit seiner Ankunft in Europa.
Migrant aus Afghanistan, 24 Jahre alt, männlich, unverheiratet, alleinlebend, Islamische Religion, eher schwache Beherrschung über die Sprache des Gastgeberlandes, aber fähig sich auszudrücken (mit Fehlern versehen).
Seine elf Klassenkameraden durchleben eine ähnliche Situation wie er. Im Allgemeinen kooperieren sie recht gut.
Die VET sorgt sich darum, dass einer der SchülerInnen ein Mitglied einer radikalen religiösen Gemeinschaft wurde: Sie hatte von einer/m anderen SchülerIn gehört, dass der Schüler eine Moschee besucht, in der auch Hassprediger verweilen. Des Weiteren werden bei dem Schüler kleine Veränderungen des Verhaltens bemerkt. Zum Beispiel, ist der Schüler sehr still, redet nicht mehr viel mit KollegInnen und lässt sich einen Bart wachsen. Auch wenn es nicht sehr modern ist, trägt er seine Hosen knöchelhoch (sie hatte gehört, dass dies traditionell für Isalmische Religion ist).
Sie weiß nicht, ob dieses Anzeichen ernst genommen werden soll und wie sie reagieren soll. Sie möchte gerne herausfinden, was man in solchen Fällen, die Anzeichen auf mögliche Radikalisierung enhalten, tun soll.
Sprachkurs, um die Sprache in dem neuen Heimatland zu lernen, Level B1 in Sprechen, niedrigeres Level in Lesen/Schreiben/Grammatik
Ein qualifizierter Sprachenlehrer
Aufbauen einer tieferen persönlichen Beziehung zu dem Schüler. In einigen Bildungseinrichtungen gibt es Sozialarbeiter, die die Angestellten unterstützen. Wenn es nicht möglich ist, mit dem Schüler allein zu arbeiten, dann versuchen Sie mit seinen KlassenkollegInnen zu arbeiten und mehr Informationen über ihn zu erfahren. In manchen Situationen ist es möglich mit der Familie desjenigen zu sprechen. Versuchen Sie Kontakt mit ihnen aufzunehmen.
Das hilft dem Schüler seine Meinungen und persönlichen Umstände seines Lebens auszudrücken. Eíne gute Kommunikation ermöglicht ungeachtete Aspekte einer Geschichte aufzudecken und vereinfacht das Verständnis. Nur Wissen bringt Licht in die Situation und auch der Schüler ist ein wichtiger Bestandteil. Eine stabile Beziehung ist essentiell für zukünftige Entradikalisierungen. Es wäre sehr vorteilhaft mit dem Schüler ein privates Gespräch zu führen, da dieses sensible Thema nicht vor der Klasse aufgezeigt werden sollte.
Wenn weder mit dem Schüler noch den Klassenkollegen möglich ist zu arbeiten, wird VET eine Möglichkeit finden, der gesamten Klasse eine Aufgabe zu geben, ohne Verdacht auf eine bestimmte Person zu lenken. Fragen Sie die Klasse, ob jede/r in unserer Gesellschaft das gleiche Recht hat, seine Religion auszuleben oder ob eine Religion über den anderen steht und die Herrschaft übernehmen sollte. Sollen religiöse Normen auch das politische Leben und die Organisation eines Staates vorherbestimmen und wenn ja, wie? Wie sollte mit Nichtgläubigen umgegangen werden? Diese Diskussion kann entweder mündlich (Acht darauf geben, dass jeder/jede seinen Beitrag leisten kann) oder schriftlich in einem Essay stattfinden.
Wenn Sie eine Pleniumsdiskussion oder das Verfassen eines Essays nicht als sinnvoll erachten: Es ist auch möglich, dass jede/r Symbole von seiner/ihrer Vision auf ein Papier zeichnet und die Gedanken dann präsentiert. Alternativ ist es möglich Fotos etc. von Katalogen auszuschneiden und in eine Collage zu verwandeln (wenn das Sprachenniveau nicht reicht). Für SchülerInnen, die keinen Essay schreiben können, reichen auch einfache Keywords, die sie in einer Mindmap darstellen.
Ein größerer Informationsgewinn durch die Fähigkeit des Schreibens ist möglich.
Klassenaktivitäten, um Radikalisierung zu erkennen, können auf dieser Website gefunden werden. Wenn Sie keine Klassenaktivitäten machen wollen und nach Tools für Einzelarbeit suchen, wäre es hilfreich, wenn Sie eine Netzwerkmappe mit den persönlichen Kontakten erstellen.
Durch das Auswählen eines praktischen Tools, welches gut in Ihren Stundenplan passt und auch spezielle Aufmerksamkeit auf SchülerInnen lenkt, werden Sie mehr Information zu diesem Fall erhalten.
Mögliche Anzeichen vom Kontakt mit Jihadismus:
VETs beschweren sich manchmal, dass sie kritische Figuren in ihren SchülerInnen oft nicht erkennen, weil sie sich auch nicht mit dem Jihadismus auskennen. Es wird noch schwieriger, weil die Namen oft in einer Fremdsprache sind. Deswegen wird hier ein Auszug vorgelegt.
Neo-salafistische Prediger und Jihadistische Zusprecher inkludieren: Pierre Vogel („Einladung zum Paradies“), Sven Lau, Denis Cuspert, Ebu Tejma, Mohamed Mahmoud, Abu Dujana, Abu Abdullah, Ibrahim Abou-Nagie, Abu Usama Al-Gharib, Muhammad Siddiq, Tarkhan Tayumurazovich Batirashvili, Abu Talha al-Almani. Diese beziehen sich auch auf andere Glaubenslehren von Sayyid Qutb, Abu Musab az-Zerqawi, Abu Ayyub al-Masri, Abu Bakr al-Baghdadi, Abu Muhammad al-Maqdisi, Ibn Taimiya, Hizb ut-Tahrir. Die radikale Rückkehr zu einer antiken Interpretation des Islams heißt „Salaf as-Salih“.
Gruppen wie Millatu Ibrahim, Takfir wal Hidjra, al-Jihad, al-Jamat al-Islamiya, Boko Haram, Wilayat Sinai, Jund a-Khilafah, Wilayat Khorasan, Wilayat Sanaa, Abu Sayyaf sind ISIS-zusprechende Organisationen.
Gruppen wie „Die wahre Religion“ (mittlerweile verboten) haben sich in vielen europäischen Ländern ausgebreitet durch "Qur‘ans" and rekrutierten viele Personen für den Jihadismus (Krieg in Syrien und Irak).
Radikale Funkdamentalisten lehnen Zionisten, US-Imperialismus, die Alevi Muslimische Gemeinschaft ab und sprechen von "schiitischen Betrügern" als auch lehnen sie andere Muslime als "echte Muslime" ab. Teil dieser Gemeinschaft zu sein, gibt den Mitgliedern manchmal ein erstes Gefühl an Zugehörigkeit, Sicherheit, Orientierung und Lebensperspektive. Neue Mitglieder kommen von unterschiedlichsten Lebensbereichen, die zuvor nie den Islam praktiziert haben. Einige Mitglieder geben sich neue arabische Namen, nachdem sie konvertierten.
Seien Sie vorsichtig: nur weil einer der oben genannten Namen mal vorkommt, heißt es nicht gleich, dass der/die SchülerIn von dieser Ideologie beeinflusst ist. Meistens ist es eine stetige Entwicklung, die mit Neugier beginnt. Erfahrungen von Entfremdungen und Abneigungen in der Gesellschaft favorisieren die Möglichkeit ein Mitglied der fundamentalen/radikalen Organisation zu werden.
Internet mit Sozialen Medien spielen eine entscheidene Rolle, indem radikale religiöse Ansichten oft in höchstprofessionellen Videos dargestellt werden, dem sogenannten "pop Jihadismus". Durch das Verwenden von modernem Stil und Musik transportieren die Videos Spaß und Abenteuer, das auf die Jugend des Westen zutrifft.
Jihadismus nutzt verschiedene Services von verschiedenen Medienkanälen, miteinbeziehend das Hochglanzmagazin "Dabiq", Videos von Folter im Mediencenter "al-Hayat" und Nachrichten im Satellitenkanal "Tawheed".
(names/ideas teilweise übernommen von „Jihadismus. Ideologie, Prävention und Deradikalisierung“ by Thomas Schmidinger, 2015, published in Mandelbaum Verlag)
Konsequenzen:
Wenn Sie das Gefühl haben eine Radikalisierung zu bemerken, dann wenden Sie sich an nationale Unterstützungsorganisationen, die professionelle Hilfe anbieten.